Im letzten Teil haben wir also erfahren, dass der moderne Werwolf das Ergebnis einer Vermengung verschiedenster Motive ist. Dass z. B. der Zusammenhang zwischen Sein und Bewusstsein vor allem bei Stevensons geliehen und der bedeutsamere Bestandteil einer genretypischen Verwandlung ist. Auf der vergeblichen Suche nach einem Urtext (gibt ja gar keinen) sind wir bei den Filmen „The Werewolf of London“ (1935) und „The Wolf Man“ (1945) hängengeblieben und haben festgestellt, dass die Regel, ein Werwolf sei durch Silber zu töten, von Kurt Siodmak erfunden wurde.
Aber wie ging es nach „The Wolf Man“ denn jetzt weiter?
Durch den Erfolg dieses relativ aufwendig produzierten B-Films, reihte sich die Figur des Werwolfs in die Riege der aufstrebenden Filmmonster des damals noch jungen Universal-Studios ein und tauchte in vier Fortsetzungen auf. In „Frankenstein Meets the Wolf Man” (1943), der zum ersten Mal so richtig auf den Vollmond setzte, „House of Frankenstein” (1944), „House of Dracula” (1945) und in „Bud Abbott Lou Costello Meet Frankenstein” (1948), einer schwer zu ertragenden Monsterfilm-Parodie, die einige der Universal-Monster zu einem letzten großen Crossover vereinte. Faszinierend an dieser kleinen Reihung ist, dass sie sich in drei Phasen einteilen lässt, von denen auch in der Genre-Theorie immer wieder gerne gesprochen wird: Der Innovation, der Stabilisierung und schließlich der Erschöpfung (in der Parodie). Und tatsächlich war für eine Weile Schluss mit Werwolf-Filmen. In den 50er Jahren versuchten einige kleine Produktionen das Thema zu verwursten, da ein Mann mit einer haarigen Maske ein billiger Effekt zu sein versprach; natürlich ohne an die Qualität der Arbeit des Makeup-Artists (wegen ihm heißt das so) Jack Pierce heranzureichen, der für die meisten Monster der früheren Universalfilme verantwortlich war. Auf ihn geht z. B. auch das archetypische Erscheinungsbild von Frankensteins Monster zurück, an das wohl fast jeder von uns jetzt, in diesem Augenblick denkt: Komisch hohe Stirn mit Naht, der platte Kopf, die Eisenbolzen am Hals – denken wir an dieses Bild, hat sich Jack Pierce in unsere Köpfe gesneaked. Leider wurde er 1946 von Universal entlassen und starb 1968 verarmt und vergessen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Zurück zum Werwolf der 50er Jahre: „The Werewolf“ (1956) befreite den Tiermenschen erfolglos von sämtlichen übernatürlichen Implikationen – hier wird Lykanthropie durch ein von zwei Wissenschaftlern entwickeltes Serum ausgelöst – und mit dem nachlässigen „I Was a Teenage Werewolf“ (1957) versuchten American International Pictures in für sie typischer Weise, durch eine Angleichung des Mythos an den Zeitgeist des Rock ´n Roll, ein jugendliches Publikum zu erreichen. Wenn man möchte, kann man hierin die Saat sehen für die „Teenie-sierung“ des Wolfsmenschen wie sie in den 80er populär war und auch seit sagen wir 2000 wieder betrieben wird.
Erst „The Curse of the Werewolf“ (1960) ist eine wirkliche Renaissance des Universal-Stoffes und war der einzige Beitrag der legendären Hammer-Studios zur Werwolf-Thematik. Fast zwanzig Jahre nach „The Wolf Man“ zeigt sich, dass die Verwandlung bei Vollmond als Konvention erhalten blieb, ebenso wie die Verwundbarkeit des Werwolfs gegenüber Silber und die bereits in „The Wolf Man“ herausgearbeitete innere Tragik des Halbwesens. Erwähnenswert sind vielleicht noch die spanischen Trash-Filme rund um den Schauspieler Paul Naschy und seinen „Hombre Lobo“, die es laut IMDb von 1968 bis 2005 auf immerhin 13 Einträge gebracht haben. Dann der unwahrscheinlich Versuch von „Werewolves on Wheels“ (1971), Werwölfe mit Bikern zu paaren, „The Werewolf of Washington“ (1973), der die Raubtiermetapher auf eine Polit-Satire stülpte und schließlich „The Legend of the Werewolf“ (1975): Ein Whodunit mit Peter Cushing, in dem, ganz im Dienste des Rätselplots, der Werwolf lange Zeit nicht gezeigt wird und dafür zum ersten Mal radikal subjektive Kameraeinstellungen aus der Sicht des Werwolfs genutzt werden (kann man dann später in „Wolfen“ (1981) wiederfinden).
Zurück zum Werwolf der 50er Jahre: „The Werewolf“ (1956) befreite den Tiermenschen erfolglos von sämtlichen übernatürlichen Implikationen – hier wird Lykanthropie durch ein von zwei Wissenschaftlern entwickeltes Serum ausgelöst – und mit dem nachlässigen „I Was a Teenage Werewolf“ (1957) versuchten American International Pictures in für sie typischer Weise, durch eine Angleichung des Mythos an den Zeitgeist des Rock ´n Roll, ein jugendliches Publikum zu erreichen. Wenn man möchte, kann man hierin die Saat sehen für die „Teenie-sierung“ des Wolfsmenschen wie sie in den 80er populär war und auch seit sagen wir 2000 wieder betrieben wird.
Erst „The Curse of the Werewolf“ (1960) ist eine wirkliche Renaissance des Universal-Stoffes und war der einzige Beitrag der legendären Hammer-Studios zur Werwolf-Thematik. Fast zwanzig Jahre nach „The Wolf Man“ zeigt sich, dass die Verwandlung bei Vollmond als Konvention erhalten blieb, ebenso wie die Verwundbarkeit des Werwolfs gegenüber Silber und die bereits in „The Wolf Man“ herausgearbeitete innere Tragik des Halbwesens. Erwähnenswert sind vielleicht noch die spanischen Trash-Filme rund um den Schauspieler Paul Naschy und seinen „Hombre Lobo“, die es laut IMDb von 1968 bis 2005 auf immerhin 13 Einträge gebracht haben. Dann der unwahrscheinlich Versuch von „Werewolves on Wheels“ (1971), Werwölfe mit Bikern zu paaren, „The Werewolf of Washington“ (1973), der die Raubtiermetapher auf eine Polit-Satire stülpte und schließlich „The Legend of the Werewolf“ (1975): Ein Whodunit mit Peter Cushing, in dem, ganz im Dienste des Rätselplots, der Werwolf lange Zeit nicht gezeigt wird und dafür zum ersten Mal radikal subjektive Kameraeinstellungen aus der Sicht des Werwolfs genutzt werden (kann man dann später in „Wolfen“ (1981) wiederfinden).
Ok, aber was ist mit den Frauen?
Die Verwandlung in den Wolf ist in der Regel männlichen Protagonisten vorbehalten, aber es gibt doch ein paar wenige Beispiele, in denen sich eine Frau verwandelt. Z. B. der tolle „Cat People“ (1942), Jacques Tourneurs „Antwort“ auf „The Wolf Man“. Man ersetzte den Wolf durch eine Raubkatze, blieb dem Werwolfmythos strukturell aber relativ nah (ebenso Paul Schraders Remake von 1982). „La Lupa Mannara“ (1976), den man durchaus auch hätte verschweigen können, mischt das Genre mit zu der Zeit in Italien gängigen Sexploitation-Elementen; ganz ähnlich auch der spätere „The Howling II: ...Your Sister Is a Werewolf“ (1985), eine trashige Fortsetzung von Joe Dantes ziemlich guten „The Howling (1981). Letzterer überträgt das Dilemma des Werwolfs durch einen letzten Plot Twist auf die Protagonistin des Films, ähnlich wie später Mike Nichols‘ „Wolf“ (1994). Aber nur der in manchen Ländern zum Kultfilm avancierte „Ginger Snaps“ (2000), und die beiden Fortsetzungen, gesteht in seinem Genremix aus Horrorfilm und Teeniekomödie den weiblichen Hauptfiguren tatsächlich radikal wölfische Züge zu und nutzt das allegorische Potential des Werwolfmythos bezüglich den Problemen der Adoleszenz – Buffy lässt grüßen.
Wir fassen kurz zusammen: Bereits Ende der 1940er Jahre hatte sich die puristische Variante des Werwolf-Films abgenutzt. Und durch die folgenden Jahrzehnte bis in den Anfang der 80er Jahre ist im Grunde niemandem ein erfolgreicher Genre-Mix gelungen, der laut Formelsammlung zur Revitalisierung eines Genres notwendig ist. Und wieso ist es niemandem gelungen? Anscheinend zeigte sich das Subgenre des Werwolf-Films bis dahin nur wenig biegsam und offen für die Verquickung mit anderen Genres, die über den Horrorfilm hinausweisen. Ein Grund hierfür liegt möglicherweise in der filmisch unkomfortablen Prämisse, die auf ein Problem vieler früherer Werwolf-Filme hinweist: Der Werwolf-Film steht und fällt mit der Repräsentation seines Monsters. War die Maskenarbeit von Jack Pierce in den frühen Produktionen der Universal-Studios noch eine neue und wenig ausgereizte Technik, nutzte sich dessen oft kopierten Effekte bereits in den Fortsetzungen, aber spätestens in den Billigproduktionen der 1950er, 60er und 70er Jahren stark ab. Zusätzlich wurde die Psychologie des Monsters sträflich vernachlässigt, wodurch insgesamt ein nachhaltiger Eindruck auf das Publikum quasi zwangsläufig ausbleiben musste. So ist es durchaus einleuchtend, dass die Weiterentwicklung von Spezialeffekten und Makeup-Techniken Anfang der 80er Jahre mit „The Howling“, „Wolfen“ und dem König des Werwolf-Films „An American Werewolf in London“ (1981) zu einer Renaissance des Subgenres führte.
Wir fassen kurz zusammen: Bereits Ende der 1940er Jahre hatte sich die puristische Variante des Werwolf-Films abgenutzt. Und durch die folgenden Jahrzehnte bis in den Anfang der 80er Jahre ist im Grunde niemandem ein erfolgreicher Genre-Mix gelungen, der laut Formelsammlung zur Revitalisierung eines Genres notwendig ist. Und wieso ist es niemandem gelungen? Anscheinend zeigte sich das Subgenre des Werwolf-Films bis dahin nur wenig biegsam und offen für die Verquickung mit anderen Genres, die über den Horrorfilm hinausweisen. Ein Grund hierfür liegt möglicherweise in der filmisch unkomfortablen Prämisse, die auf ein Problem vieler früherer Werwolf-Filme hinweist: Der Werwolf-Film steht und fällt mit der Repräsentation seines Monsters. War die Maskenarbeit von Jack Pierce in den frühen Produktionen der Universal-Studios noch eine neue und wenig ausgereizte Technik, nutzte sich dessen oft kopierten Effekte bereits in den Fortsetzungen, aber spätestens in den Billigproduktionen der 1950er, 60er und 70er Jahren stark ab. Zusätzlich wurde die Psychologie des Monsters sträflich vernachlässigt, wodurch insgesamt ein nachhaltiger Eindruck auf das Publikum quasi zwangsläufig ausbleiben musste. So ist es durchaus einleuchtend, dass die Weiterentwicklung von Spezialeffekten und Makeup-Techniken Anfang der 80er Jahre mit „The Howling“, „Wolfen“ und dem König des Werwolf-Films „An American Werewolf in London“ (1981) zu einer Renaissance des Subgenres führte.
Und heute? Die „practical effects“ der 80er und 90er Jahre sind passé. „An American Werewolf in Paris“ (1997) war der erste Film, in dem die Schauspieler vor digitalen Werwölfen fliehen mussten und auf ein, bildtheoretisch gesprochen, philosophisches Problem des modernen Horrorfilms zu rannten: der räumlichen Teilung des Monsters (CGI) von seiner fleischlichen Beute. Doch dazu vielleicht ein andermal mehr. Klar ist: Der Werwolf steckt seit locker zehn Jahren in einer Identitätskrise. Neben den üblichen Verdächtigen wie „Underworld“, „Harry Potter“ und „Twilight“ manifestiert sich das in solchen Rohrkrepierern wie „Red Riding Hood“ (2011) und „The Wolfman“ (2010), die zwar gewissenhaft zusammengesteckt sind, mit dem ihnen innewohnenden Tier aber tatsächlich überhaupt gar nichts anzufangen wissen. Einzige Hoffnung zur Zeit: In Ti Wests nächstem Film soll sich angeblich ein Werwolf herumtreiben – das könnte gut werden. Eine Revitalisierung und kulturelle Auffrischung dieses Tiermenschen ist auf jeden Fall längst überfällig.
Der Text erschin zuerst im Mai 2012 beim Affektblog.